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Die Todesstrafe – Ein Relikt der Vergangenheit

Ein Gastbeitrag von Maximilian Swenty


Während wir die Vorzüge unseres liberal-demokratischen Rechtsstaats genießen und uns über Grausamkeiten und Gräueltaten im globalen Süden oder in China echauffieren, tickt die Uhr. Ein Aspekt beschäftigt uns, die vermeintlich Guten, immer wieder. Die Todesstrafe, beispielsweise für Demonstranten im Iran, für Regimekritiker in China, für Ex-Muslime im Nahen Osten. Wird so ein Fall in den westlichen Medien publik, ist der Aufschrei groß. Doch die Uhr tickt auch bei uns. Und hier ist der Aufschrei wesentlich kleiner. Obwohl die Todesstrafe die Grundfesten unserer rechtsstaatlichen Gesinnung erschüttert.

Zunächst einmal ein Blick auf die Vereinbarkeit staatlicher Hinrichtungen mit den internationalen Menschenrechten. Am 25.01.2024 wurde in einem Gefängnis in Alabama (USA) „an einem Menschen ein Experiment durchgeführt“, so Amnesty International [1]. Ein 1996 zum Tode verurteilter Amerikaner, dessen erster Hinrichtungsversuch nach stundenlangen psychischen Qualen gescheitert ist, wurde mittels Stickstoffzufuhr über eine Maske erstickt. Erst nach einer halben Stunde wurde er für tot erklärt. Es handelt sich um ein Vorgehen, welches noch nie zuvor getestet wurde. Der UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk spricht von „Folter oder einer grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung“[2]. Neben dem Folterverbot widerspricht die Todesstrafe auch dem grundlegendsten Menschenrecht, dem Recht auf Leben, indem es einem Individuum jenes abspricht. Folglich ist die Todesstrafe nicht mit den Menschenrechten vereinbar.

Befürworter der Todesstrafe argumentieren, dass nur durch die sie effektive Abschreckung möglich sei. Doch zeigt sich, dass hier keinerlei Korrelation besteht. In Staaten mit Todesstrafe gibt es nicht weniger Kriminalität, als in Staaten ohne. Als Liberale, die wir an Rechtsstaatlichkeit und an das Individuum glauben, sollten wir uns daher für Rehabilitierung und Resozialisierung einsetzen, statt uns auf die Werteebene eines Terrorregimes herabzubegeben, indem auf Vergeltung und Rache gesetzt wird.

Denn die Todesstrafe legitimiert die Idee, dass menschliches Leben genommen werden dürfe. Dass die Tötung eines Menschen akzeptabel ist und sogar durch die Strafjustiz ausgeübt werden sollte. Dieser Gedanke fußt auf der Überzeugung, dass der Staat alles legitimieren könne und dürfe, bis hin zur Untergrabung der Würde des Menschen, und nichts anderes geschieht durch die Todesstrafe. Ferner setzt dieser Gedanke voraus, dass staatliches Handeln ohne Ausnahme korrekt sei. Doch das ist nicht immer der Fall. Auch der Staat macht Fehler. Davon zeugen die vielen tragischen Fälle unschuldiger Todestraktinsassen.

Durch die Möglichkeit von Hinrichtungen eröffnen sich Formen der Willkürherrschaft, welche auch durch eine Judikative nicht immer verhindert werden können. Die meisten Todesurteile werden nicht auf Grundlage schwerer Verbrechen, sondern aus politischer Motivation vollstreckt, so Amnesty International, denn sie mache es der Regierung leicht, sich der Opposition zu entledigen [3]. So werden in China mutmaßlich tausende Hinrichtungen unter Verschluss gehalten [4]. Es zeigt sich: Der Staat sollte nicht über Leben und Tod entscheiden dürfen! Denn dadurch wird er zur Waffe gegen den eigenen Bürger und verliert seine Legitimationsgrundlage durch sein Souverän, das Volk.

Die Entwicklung in der Welt sieht nicht gut aus. Die Anzahl der vollstreckten Todesurteile erreichte 2022 einen neuen Höchststand. Doch eines macht Hoffnung: Inzwischen verzichten viele Staaten auf eine Vollstreckung. Im Jahr 2022 haben weitere sechs Länder die Todesstrafe vollständig oder zum Teil abgeschafft [4]. Es liegt an den Liberalen weltweit, sich gegen Willkür und für Menschenrechte einzusetzen und so die Todesstrafe endgültig zu einem Relikt der Vergangenheit
zu machen.

[1] https://www.amnesty.de/usa-alabama-hinrichtung-kenneth-smith-stickstoff-todesstrafe
[2] https://www.tagesspiegel.de/internationales/mythos-humane-hinrichtungsmethode-wieexperten-die-stickstoff-exekution-in-den-usa-bewerten-11119102.html
[3] https://www.amnesty.ch/de/themen/todesstrafe/argumente-gegen-die-todesstrafe#
[4] https://www.amnesty.de/allgemein/pressemitteilung/todesstrafe-hinrichtungen-weltweitamnesty-bericht-2022#